Alex Cejka – Mann der tausend Gegensätze

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Alex Cejka ist seit fast 20 Jahren in der Weltspitze zu finden, außer den Synonymen „gebürtiger Tscheche“ und „Wahlmünchner“, die immer wieder in zahlreichen Kurzmeldungen über seine Auftritte auf der US Tour auftauchen, weiß die Öffentlichkeit kaum etwas über ihn. sportal.de stellt die bewegte Lebensgeschichte des Golfexoten im Schatten von Bernhard Langer und Martin Kaymer vor.

Die Suche nach der inneren Mitte

„Man muss seine Mitte finden“, hatte Cejka dem Spiegel vor Jahren erklärt, „im Leben wie im Golf.“ Doch dieses Ziel scheint er auch mit mittlerweile 40 und fast zwei Jahrzehnten erweiterte Weltspitze auf dem Buckel immer noch nicht ganz erreicht zu haben. Dazu steckt er sich immer wieder zu hohe Ziele und dazu vereint er zu viele eigentlich unvereinbare Gegensätze in sich.

Er ist Rasensportler, hat aber eine Allergie gegen 19 der 20 auf Golfplätzen angepflanzten Grasarten. Zu seinen Hobbys zählen sowohl beschauliches Angeln als auch rasantes Jet-Ski-Fahren. Frauenarzt hatte er laut seiner eigenen Homepage eigentlich werden wollen, weil „Ärzte gut verdienen und ich die weiblichen Wesen schon immer mochte“. Doch daraus wurde nichts.

„Die Schule und ich haben nie richtig zusammen gepasst“, bekannte er später in der Berliner Zeitung, warum er letztlich die Realschule mit dem Hauptschulabschluss verlassen musste. Er stammt aus einfachen, bescheidenen Verhältnissen, erklärte aber zu Beginn seiner Karriere, nicht unbedingt Millionär sein zu müssen, aber immerhin „wie einer leben“ zu wollen, steht aber jeden Tag bereits im Morgengrauen auf dem Trainingsgelände.

Vagabundenleben in billigen Motels

Als er sich mit den ersten erfolgreichen Jahren auf der European Tour die Möglichkeiten für den Lifestyle eines Millionärs geschaffen hatte, entschied sich Cejka 2002 für den Wechsel auf die US Tour und ein zunächst entbehrungsreiches Leben. Zusammen mit seiner tschechischen Ehefrau und den beiden Söhnen tingelte der Rookie im Auto von Turnier zu Turnier, schlief in billigen Motels, nur um die mühsam im zweiten Anlauf in der Qualifying School erkämpfte Tourkarte auch zu verteidigen.

„Ich habe damals jedes Turnier mitgenommen, weil ich zusehen musste, dass ich genügend Preisgelder zusammenkratze, um meine Spielberechtigung zu erhalten“, erinnerte er sich im Spiegel an die schwere Anfangszeit in den USA. Doch die nahm er gerne in Kauf, um sich den Traum vom Sprung über den großen Teich zu erfüllen. „Meine Karriere wäre unvollendet, wenn ich es nicht erreicht hätte“, erklärte er. Für das Nomadenleben zahlte er aber auch einen hohen Preis. Mirka trennte sich von ihm und kehrte mit den Kindern in die Heimat zurück.

Die abenteuerliche Flucht in den Westen

Für Cejka war die Tingelei dagegen kein Problem. Seit seiner Kindheit war er selten lange an einem Ort geblieben, und dass man für seine Träume viel kämpfen und mitunter auch große Opfer bringen muss, hatte er früh gelernt. Gerade einmal neun Jahre war er alt gewesen, als sein Vater 1979 einen Urlaub nutzte, um mit seinem Sohn dem Kommunismus in der damaligen Tschechoslowakei zu entfliehen. Ein Rucksack mit den nötigsten Gegenständen war alles, was die beiden auf die abenteuerliche Flucht über Ungarn, Jugoslawien, Italien, Schweiz nach Deutschland mitnahmen.

„Wir sind zu Fuß, mit dem Zug und dem Fahrrad unterwegs gewesen“, erzählte Cejka golf.com. Sogar einen Fluss mussten sie durchschwimmen. „Für mich war das eigentlich ein tolles Abenteuer. Ich wusste damals nicht, wie gefährlich das alles war. Ich dachte, das wäre der Urlaub. Ich weiß noch, wie er mich nach ungefähr zwei Wochen Flucht umarmte, weinte und sagte “wir haben es geschafft“, wird er in einem seiner vielen Interviews mit pgatour.com zitiert. In Frankfurt kamen sie bei einem Freund des Vaters unter, der kleine Alex kam dann in ein Internat für Spätaussiedler in der Nähe von Darmstadt, weitere Stationen waren Offenbach und München.

In der Frankfurter Zeit entdeckte er dann auch seine Liebe zum Golfsport wieder. „Angefangen habe ich damals noch in der Tschechoslowakei“, erinnerte sich Cejka Anfang August im Presseraum des Turning Stone Resort Championship zurück. „Da habe ich auch ein bisschen geschlagen. In Deutschland bin ich dann mit 12 oder 13 in einen Club eingetreten.“ Um die Aufnahmegebühr bezahlen zu können, wurde kurzerhand das Familienauto verkauft. „Wir konnten uns dann keine Trainerstunden leisten, aber der Pro hat mir beim Üben zugesehen und wenn er grade keine Stunden geben musste, kam er rüber zu mir uns gab mir Tipps. So fing das an“, berichtete Cejka weiter.

Ein Exot im elitären Golferkreis

Schon damals war Cejka ein Exot auf dem Golfplatz. Zum ersten Mal bekam er das zu spüren, als er 1985 beim Turnier in Frankfurt den frischgebackenen Masters-Sieger Bernhard Langer traf und sich bei strömendem Regen anbot, dessen Jacke zu halten, damit sich sein großes Idol für seinen Schlag präparieren konnte. „Er hat mich aber nur angeguckt und die Jacke auf den Boden geschmissen“, erzählte Cejka Jahre später von der Begegnung und lieferte die Erklärung für das schroffe Verhalten des eigentlich so freundlichen Weltstars, mit dem er heute eng befreundet ist, nach. „Wahrscheinlich hat er mir einfach nicht getraut. Ich hatte Shorts an und ein naja, eingerissenes Shirt.“

Mit diesem Argwohn hatte er auch in den Folgejahren zu kämpfen. Cejka war hochtalentiert, hatte mit 16 bereits Handicap null, doch die gehobene, elitäre Klasse, die Ende der 80er noch hauptsächlich Golf spielte, wollte ihn nicht so richtig akzeptieren – selbst der DGV verweigerte ihm lange die Unterstützung. Unter diesen Voraussetzungen die innere Mitte zu finden ist schwer. An der Skepsis, mit der sein Auftreten begleitet wurde, änderte sich auch nichts, als er 1989 den Sprung zu den Profis wagte. Sein erstes Turnier spielte er in Timmendorfer Strand mit langen Haaren, verwitterten Schuhen und einem hochgestellten Hemdkragen. Dazu rauchte er Kette, später spielte er auch mal mit Glatze oder Weihnachtsmannmütze.

Mit Erfolgen auf der Challenge Tour verdiente er sich den Lebensunterhalt und erkämpfte sich Jahr für Jahr auf der Qualifying School das Tourticket für die große Eventserie. Angestachelt von den ersten Siegprämien, der skeptischen Haltung der Öffentlichkeit und einem unbegrenzten Ehrgeiz nährte er seinen Ruf als Golfpunk noch zusätzlich.

Er kaufte sich einen Ferrari und zog in ein Luxus-Appartment in München. Nachdem er z.B. 1993 in München zum ersten Mal den Cut bei einem PGA Event geschafft hatte, setzte er sich ins Auto und rauschte in seinen 250 km entfernten tschechischen Geburtsort Marienbad, in den sein Vater mittlerweile zurückgezogen war, und feierte mit Freunden und Familie eine rauschende Party. Übernächtigt, aber pünktlich stand er pflichtbewusst am nächsten Vormittag zu seinem ersten Abschlag der dritten Runde wieder auf der Matte.

Siege in Europa, Nervenflattern in den USA?

1995 hatte er sich dann als Sechster der Order of Merit endgültig in der Weltspitze etabliert, gewann mit der Andalusien Open sein erstes Turnier auf der European Tour und ließ weitere Siege bei der Austrian Open und dem Sieg beim Volvo-Masters in Valderrama folgen, wo er die versammelte Golfelite des Kontinents düpierte. In der Folgesaison verzeichnete seine Karriere einen kleinen Knick, er kämpfte sich aber zurück und feierte erfolgreiche Jahre mit guten Verdiensten.

Nach seinem höchsten Preisgeld auf der European Tour schaffte er dann nach einem vergeblichen Versuch 2001 als erst zweiter Deutscher nach Langer den Schritt über den großen Teich, wo Exoten eher angesehen und akzeptiert werden als damals in Europa. Er akklimatisierte sich schnell, verdiente sich als Vielspieler den Beinamen Ironman. Doch an die Erfolge auf der European Tour konnte er nicht so richtig anknüpfen. „Ein paar Mal war ich ganz dicht dran. Aber ich weiß, dass mich mein Putten einige Male gehindert hatte“, begründete er gegenüber pgatour.com, warum ihm bis heute noch kein PGA Tour-Sieg vergönnt gewesen ist. „Jeder hier ist ein großartiger Spieler und das macht es schwer.“

Hinzu kamen möglicherweise, dass er oftmals zu großes Risiko und, auch wenn er es selbst nicht wahrhaben will, häufig das Nervenflattern bekam. Anders ist es nicht zu erklären, dass er mehrfach drei Runden perfektes Golf spielte, am Schlusstag aber unerklärlicher Weise einbrach. Bestes Beispiel war die Players Championship 2009, als nach drei Runden fünf Schläge vor der Konkurrenz lag, dann aber am Schlusstag noch auf den neunten Rang zurück fiel. Er wurde aber auch immer durch mitunter langwierige Verletzungen gestoppt. Seinen Ehrgeiz bremste das nicht, auch nicht, dass er mehrmals die Qualifying School absolvieren musste, um seine Tourkarte behaupten zu können.

Sechs Red Bull und eine Nachtfahrt

Der Ehrgeiz ging sogar so weit, dass er bei der Zurich Classic 2008 eine wahre Ochsentour für ein paar Dollar auf sich nahm. „Nach meiner 75er Runde am Samstag und dem eigentlich dadurch verpassten Cut – denn seit Januar gibt es eine neue Regel der Tour, dass nur noch die besten 70 Spieler die Finalrunde erreichen – flog ich nach Las Vegas, um zu entspannen. Doch in New Orleans zog ein Gewitter auf und die Tour entschied, dass am Sonntag alle spielen durften“, berichtete er fairways.de.

Am Heimatflughafen erreichte ihn aber die Nachricht, dass der Cut gestrichen war und er doch die Finalrunde erreicht hatte. „Um jetzt nicht das Preisgeld zu verlieren und Letzter zu werden, hetzte ich durch den Las Vegas Airport, denn der einzige Flug in Richtung New Orleans ging nach Houston/Texas und ich hatte nur 15 Minuten Zeit, diese Maschine zu bekommen. Ohne Gepäck und ohne Golfschläger, die ich in Las Vegas lassen musste, denn mein Flugzeug war noch nicht entladen, kam ich gegen 1:00 Uhr in Houston an. Dort mietete ich ein Auto, kaufte mir einen Sechserpack Red Bull und fuhr die ganze Nacht durch, bis ich um 6:15 Uhr in New Orleans ankam. Ich lieh mir Schläger und Klamotten aus und stand 60 Minuten später am ersten Abschlag“, schilderte er weiter.

Private Mitte gefunden

Der Einsatz und Kampfwille ist bei Cejka definitiv vorhanden, für den ganz großen Wurf fehlt aber insgesamt die nötige Konstanz. Und das hat sicherlich auch eine ganze Menge mit der Suche nach der inneren Mitte zu tun. Diese Mitte hat Cejka mittlerweile immerhin in einem Teil seines Leben gefunden. In Las Vegas hat er seit einigen Jahren einen Rückzugsort gefunden, an dem er sich wohlfühlt, der ihm als Basis das perfekte Klima zur Entspannung und Erholung bietet. Hier hat er auch die Möglichkeit für Direktflüge aus und nach Europa, um möglichst viel Zeit mit seinen Kindern verbringen zu können.

Außerdem verfügt er mittlerweile über einen treuen Fanclub, der seine Auftritte leidenschaftlich verfolgt und ihn sogar bei vier bis fünf Turnieren pro Jahr begleitet und ordentlich Stimmung macht – das „Team Cejka“. Als Exot gilt er in den USA nicht, hier ist er akzeptiert, und die Balance, die er daraus schöpft, schlägt sich auch in den Ergebnissen nieder. Nach einer schweren Nacken-OP hat er zwar immer noch mit den Auswirkungen und leichten Problemen zu kämpfen, absolvierte aber in diesem Jahr die beste und vielleicht konstanteste Saison seit langem, wie ein achter Platz bei der US Open – zusammen mit Martin Kaymer – sowie ein dritter Platz in München und ein Fünfter bei der Reno Tahoe Open eindrucksvoll unterstreichen.

Großangriff an allen Fronten

Die Ergebnisse haben bei Cejka den Wunsch geweckt 2011 noch einmal richtig anzugreifen und neben der US Tour nach Jahren der nur sporadischen Stipvisiten auch wieder regelmäßig auf der European Tour aktiv zu sein. Vielleicht steckt da auch irgendwo der Wunsch dahinter, es den alten skeptischen Stimmen von einst noch einmal zu beweisen? Wie auch immer, vielleicht klappt es ja doch endlich mit dem lang ersehnten Sieg, denn ein Erfolgserlebnis könnte Cejka der inneren Mitte ein weiteres Stück entgegen bringen.

Malte Asmus

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