British Open: Mickelson rüttelt am Thron von Woods

Formal ist Tiger Woods noch immer die Nummer eins der Welt, unantastbar ist er nicht mehr. Seit Wochen droht ihn Phil Mickelson vom Thron zu stoßen, die nächste Gelegenheit bietet sich bei der Open Championship in St. Andrews.
Die British Open feiert 150-jähriges Jubiläum, obwohl das einzige Major-Turnier in Europa seit 1860 erst zum 139. Mal ausgetragen wird. Woods genießt den besonderen Artenschutz der Superstars immer noch in vollen Zügen. Abgeschirmt und gut bewacht dreht der 5:1-Favorit seine Runden, aber die Tiger-Mania um den angeschlagenen Branchenriesen hält sich in Grenzen.
Aus Vorsicht vor den Massen hat der Royal and Ancient GC die Sicherheitsvorkehrungen drastisch erhöht. Jede verbale Attacke beim Spiel oder aggressive Verhaltensweise der zu erwartenden 200.000 Zuschauer wird mit einem Platzverweis geahndet, teilte R and A-Chief Executive Peter Dawson mit.
Tiger Woods schrieb mit seinen Siegen 2000 und 2005 auf dem legendären Old Course an der schottischen Ostküste Golfgeschichte. Mit 19 unter Par zur Jahrtausendwende in St. Andrews hatte der Superstar einen neuen Standard auf dem Kultplatz gesetzt. Doch das war eine andere Zeit.
Mickelson fehlt noch ein Open-Sieg
Das Szenario zum Sturz der Ikone Woods nach 266 unterbrochenen Wochen und 608 Wochen insgesamt an der Spitze der Weltrangliste ist klar: Mickelson reicht schon Platz zwei, wenn Woods nicht unter die Top vier kommt. Rang drei für den 40 Jahre alten Mickelson würde genügen, sollte Woods nicht mindestens 14. werden.
Allerdings hat Masters-Champion Mickelson in den vergangenen Monaten bereits fünfmal die Wachablösung verpasst. Zudem konnte er bisher in Europa kein Major gewinnen. Die Umstellung von den Designer-Kursen der US-PGA- Tour zu den wetteranfälligen Dünenkursen (Links) der British Open fällt ihm schwer. Am Dienstag holte er sich deshalb auch den Rat von Ex-Champion Nick Faldo (England).
Mickelson antwortete unterdessen fast ehrfürchtig auf die Frage, wie er bei den Wetterkonditionen im 16. Versuch die British Open erstmals gewinnen könnte? „Das ist schwer zu beantworten. Darüber muss ich mal tief nachdenken“, meinte der Kalifornier. 2004 gelang ihm mit Rang drei in Royal Troon an der Westküste Schottlands sein bisher bestes British Open-Resultat.
Woods ist in den Platz verliebt
„Die Abschläge kamen wie an der Schnur gezogen. Die Schläger liegen wunderbar in der Hand. Ich habe zu meinem Putt-Gefühl zurückgefunden“, prahlte dagegen Woods nach dem ersten Training, „ich gebe zu, ich bin in den Kurs verliebt.“ Die Fans hätten ihn wie immer begeistert empfangen, als die Sommerstürme mit bis zu 80 Kilometer pro Stunde sogar die Golfbälle auf den Grüns wegbliesen.
So sehr sich Woods um Normalität bemüht, so unmissverständlich fällt das erste Zwischenfazit nach seinem Comeback aus. Platz vier beim Masters nach fünfmonatiger Pause hinter Sieger Mickelson und Rang vier bei der US Open hinter Graeme McDowell (Nordirland) sind die besten Saisonergebnisse, die Woods bei seinen bisher sieben Starts erreichte.
Angesichts seiner langen Pause ist das sicherlich repektabel, doch für Woods gelten andere Maßstäbe. Die Leichtigkeit ist seinem Spiel scheinbar abhandengekommen. Die Konkurrenz aus den Top 10 der Weltrangliste lauert nur darauf, seinen 15. Major-Titel zu verhindern.
Kaymer und Siem am Start
Die Engländer Lee Westwood (3.), Luke Donald (7.), Ian Poulter (8.), Paul Casey (10) oder der Nordire Rory McIlroy (9.) haben ihre Titelambitionen angemeldet, und auch die US-Boys Steve Stricker (4.), Jim Furyk (5.) sowie der Südafrikaner Ernie Els (6./Südafrika) wollen ein Wort mitreden.
Die beiden deutschen Starter Martin Kaymer und Marcel Siem gehen etwas bescheidener ins Rennen. Der Weltranglisten-13. Kaymer ist in eine Schwung- und Formkrise geraten. Aus der angestrebten Titelverteidigung in Paris wurde Platz sechs, bei den Scottish Open verpasste er sogar den Cut. Siem spielt dagegen sein erstes Major überhaupt und wird froh sein, die ersten Runden auf dem Par 72-Kurs in der malerischen Dünenlandschaft zu überstehen.