Kaymer verteidigt bei der PGA Championship seinen Titel

Die PGA Championship ist das letzte Major der Saison und trägt daher den Beinamen „Glory’s last shot“ (Die letzte Chance auf Ruhm). Titelverteidiger ist Martin Kaymer, der im letzten Jahr mit seinem Triumph in Whistling Straits in die Riege der ganz großen Stars aufstieg.
Topfavorit ist der Deutsche deshalb noch lange nicht. Die neue Weltordnung im Golf, die einherging mit dem Ende der Dominanz von Tiger Woods, hat gezeigt: Die Spitze ist breiter geworden und es ist nahezu unmöglich, Vorhersagen zu treffen. Die letzten sechs Majorsieger (Graeme McDowell, Louis Oosthuizen, Martin Kaymer, Charl Schwartzel, Rory McIlroy und Darren Clarke) gewannen allesamt erstmals eines der vier wichtigsten Turniere der Welt.
Die PGA Championship wird in diesem Jahr im Athletic Club auf dem Highlands Course in Atlanta ausgetragen – zum dritten Mal nach 1981 und 2001. Der Wiedererkennungswert des Platzes für die Spieler, die vor zehn Jahren schon dabei waren (damals gewann David Toms vor Phil Mickelson/Anm. d. Red.) ist gering.
Wie üblich wurde der Platz deutlich verlängert und misst heute 7467 Yards. Darüber werden sich vor allem die Longhitter im Feld freuen, zumal der Kurs als Par-70 gespielt wird. Loch 2, ein Par 4 mit 514 Yards Länge oder Loch 15, ein 260 Yards langes Par-3, deuten an, was die Spieler erwartet.
Die Schwierigkeit des Highlands Course auf seine reine Länge zu reduzieren, wäre jedoch ein Fehler. Schmale Fairways, tückische Bunker, viele Doglegs und tiefes Rough erfordern Präzision vom Tee. Lieber ein paar Meter kürzer, aber dafür auf der Spielbahn – könnte die Devise lauten. Denn die kniffligste Aufgabe erwartet die Spieler auf dem Grün.
Im Vergleich zu 2001 wurde hier eine gravierende Änderung vorgenommen. Eine neue Grassorte kommt zum Einsatz, die die Grüns deutlich härter und schneller macht. Das wirkt sich nicht nur beim Putten aus, sondern auch bei den Annäherungsschlägen. Die Spieler werden mehr Probleme haben, denn Ball zum Liegen zu bekommen. Erst Recht, wenn man nicht vom Fairway aus das Grün anspielen kann. Ein Ergebnis von 15 unter Par wie 2001 ist nicht zu erwarten, jedenfalls wenn es so heiß und trocken bleibt, wie erwartet.
Was bedeuten diese Bedingungen für den Favoritenkreis? Eigentlich nichts, denn das Potenzial für einen Sieg bringen unglaublich viele Spieler mit. Wir haben uns einige Kandidaten herausgepickt und stellen diese in verschiedenen Kategorien vor.
Der Titelverteidiger
Der erste Majorsieg vor einem Jahr hat das Leben von Martin Kaymer nachhaltig verändert. Das Interesse an seiner Person und der Bekanntheitsgrad erreichten von einem Tag auf den nächsten eine neue Dimension. An die neuen Begleitumstände muss sich der 26-Jährige erst gewöhnen, zumal er auch sonst einiges verändert hat. Mit Chris Donald hat er den Caddie in dieser Saison gewechselt, hinzu kam eine Veränderung an seinem Schwung.
Nach gutem Saisonauftakt waren die letzten Wochen weniger erfolgreich. Ein Grund zur Beunruhigung ist das nicht. Kaymer kann sich auf seine Eisenschläge verlassen und hat zumindest beim WGC Bridgestone Invitational gut geputtet. Bekommt er mehr Konstanz in seine Drives, ist mit ihm schnell wieder zu rechnen. Dass Jason Sobel, der Golf-Experte von golfchannel.com, Kaymer nicht in die Liste seiner 25 Topfavoriten aufgenommen hat, könnte sich unserer Meinung nach als Fehler erweisen.
Die Getriebenen
Eines sei bei den Namen Luke Donald, Lee Westwood, Dustin Johnson, Nick Watney oder Adam Scott vorweg erwähnt: Der Druck, der auf diese Athleten ausgeübt wird, ist das Resultat einer vor allem in den USA immer wieder von den Medien geführte Debatte darüber, dass ein Golfer nur ein echter Champion sein kann, wenn er ein Majorturnier gewonnen hat.
Dieser Makel wurde und wird vor allem Donald und Westwood, als derzeitiger Nummer eins und zwei der Welt vorgehalten. Was bei dieser Diskussion zu kurz kommt, ist die Tatsache, dass alle fünf Golfer in ihrer Karriere diverse Turniere gegen hochklassige Konkurrenz gewonnen haben. Reduziert werden sie auf ihre Misserfolge. Sechs Top-3-Platzierungen bei Majorturnieren von Westwood sind dann eher Ausdruck des fehlenden Sieger-Gens, Donald haftet aufgrund seines unspektakulären, unaufgeregten Spiels das Image eines Langweilers an.
Dustin Johnson spielte bei drei der letzten sechs Major um den Sieg mit, konnte aber keines gewinnen. Klar, der Mann hat einfach ein schwaches Nervenkostüm. Ähnlich wie Nick Watney, der bei der PGA Championship 2010 seine Führung von drei Schlägen auf der Schlussrunde mit einer 81 verspielte. Oder Adam Scott, der mit 31 Jahren bereits 42 Majors gespielt hat und trotz seines unglaublichen Potenzials noch keinen Titel erringen konnte.
Die Sinnlosigkeit solcher Debatten zeigte zuletzt Rory McIlroy auf. Nachdem der Nordire bei der British Open 2010 und vor allem beim Masters 2011 eine Führung nicht ins Clubhaus brachte, wurde schon gezweifelt, ob er es jemals schaffen würde – und das bei einem gerade 22-Jährigen. Bei der US Open gab der Celtic Tiger mit dem Triumph die richtige Antwort und brachte alle Kritiker zum Schweigen. Bei den Buchmachern ist er in Atlanta der Topfavorit.
Erinnern sie sich noch an den ewigen Zweiten, den besten Spieler, der nie ein Major gewinnen konnte? Lange Jahre war das Phil Mickelson. Er spielte in 47 Majors, bevor er endlich den ersehnten Titel gewinnen konnten. Drei weitere kamen seither dazu und niemand redet mehr über die Zeit davor.
Akut Durchbruch-gefährdet
Legt man die eben angesprochene öffentliche Erwartungshaltung zugrunde, dann wird die Luft für Jason Day langsam dünn, denn er schnupperte schon mehrfach erfolglos am Sieg. Der 23-jährige Australier hat in den letzten eineinhalb Jahren einen kometenhaften Aufstieg hinter sich.
Fünf Majors hat er gespielt, drei davon schloss er unter den ersten Zehn ab. Beim Masters und der US Open 2011 wurde er jeweils Zweiter, in der letzten Woche beim WGC Bridgestone Invitational Sechster. Jason Day gehört definitiv die Zukunft, auch wenn er wieder „nur“ Zweiter werden sollte.
Als Rickie Fowler vor zwei Jahren auf die US PGA Tour kam, da war er bereits mit reichlich Vorschusslorbeeren und dicken Werbeverträgen ausgestattet. Kommt da der neue Tiger Woods, den sich die Amerikaner so sehr wünschen? Vielleicht, doch in zwei Jahren hat er immer noch kein Turnier gewonnen und die von außen herangetragene Ungeduld wird größer.
An seinem Talent ändert diese Tatsache natürlich nichts, denn auch Fowler ist gerade einmal 22 Jahre alt. Bei der British Open wurde er Fünfter, beim Bridgestone Invitational Zweiter – er nähert sich dem Sieg langsam an.
Etwas mehr Welpen-Schutz genießen noch Ryo Ishikawa aus Japan und der Italiener Matteo Manassero, die trotz ihrer erst 19 beziehungsweise 18 Jahre schon unglaublich weit sind. Sollte ihnen andererseits jetzt schon der große Wurf gelingen, wäre der Hype um ihre Person wohl nicht mehr zu stoppen.
Die Wundertüten
Die beiden besten Golfer des letzten Jahrzehnts zu Wundertüten zu degradieren, ist keinesfalls respektlos gemeint, sondern der Tatsache geschuldet, dass ihre Leistung schwer einzuschätzen ist. Über das Potenzial von Phil Mickelson und Tiger Woods gibt es keinerlei Zweifel und das allein macht sie zu Sieganwärtern bei jedem Turnier. Die Frage, ob sie es auch abrufen können, stellt sich in den letzten Monaten aber genau so regelmäßig.
Mickelson, der Mann mit dem grandiosen Ballgefühl, tauchte beim letzten WGC-Turnier total ab, zeigte dafür aber bei der British Open zu was er im Stande ist. Die erste Hälfte der Schlussrunde bot er brillantes Golf, tauchte plötzlich an der Spitze auf, um am Ende geteilter Zweiter zu werden.
Und Tiger Woods? Sein Comeback war nicht so schlecht, wie es viele erwartet hatten. Er ist gesund, schwingt sehr viel lockerer und schlägt den Ball weiter denn je. So weit die guten Nachrichten. Die schlechten lauten: Sein neuer Schwung ist längst noch kein gefestigtes System und entsprechend groß ist die Streuung seiner Abschläge. Ihm fehlt es nach eigener Aussage an Trainingseinheiten und Wettkampfpraxis. Wir lassen uns in Atlanta gerne von beiden überraschen.
Lars Ahrens