Rückblick auf den Golf-Monat Januar

sportal.de über einen zerstörten Putter, Regelverstöße, Kaymer und die Frage, was Hugo Chavez mit Golf am Hut hat.
Das Johnny Vegas-Märchen
Jhonattan „Johnny“ Vegas aus Venezuela ist die Golf-Sensation des Januars. Sein Aufstieg ist eine der „Vom Tellerwäscher zum Millionär-Geschichten“, die sie in den USA so lieben. Der Sohn eines Ölarbeiters brachte sich das Golfspielen in Venezuela mit einem selbst gebastelten Schläger bei, mit dem er Steine durch die Gegend schlug.
Mit 17 wurde er Jugendmeister in seiner Heimat Venezuela und durfte zu den Callaway Junior Worlds in die USA reisen. Dort überzeugte er mit dem sechsten Rang und erhielt ein Golfstipendium. Ohne Englischkenntnisse landete wenig später in Houston, schloss Jahre später das College ab, bevor er 2008 Golfprofi wurde. 2010 sicherte er sich auf der unterklassigen Nationwide Tour die Spielberechtigung für die US PGA Tour und bei seinem fünften Start gewann er sein erstes Turnier. Eine Woche später ließ er einen geteilten dritten Rang folgen und wurde damit endgültig zur Sensation der noch jungen Saison.
Der Erfolg von Vegas hat auch eine politische Dimension, denn in seiner Heimat ist Golf zumindest umstritten. Präsident Hugo Chavez betrachtet den Sport eher als Zeitvertreib der reichen Oberschicht, was nicht zu seinen sozialistischen Idealen passt. Laut espn hat er bereits sechs Golfplätze geschlossen, darunter den, auf dem Vegas das Spiel erlernte. Nach dessen Turniersieg erklärte Chavez, dass er keineswegs ein Feind des Golfsports sei. „Er hat die ganzen Gringos geschlagen, weiter so, Junge“, freute sich Chavez demnach über seinen neuen prominenten Landsmann.
Martin Kaymer, Superstar!
Der 26-Jährige hat einen Traumstart in die Saison erwischt und mit seinem Sieg in Abu Dhabi (mit acht Schlägen Vorsprung!) bewiesen, dass er in der Lage ist, an das überragende Jahr 2010 anzuknüpfen. Kaymer hat von den letzten acht Turnieren, bei denen er am Start war, vier gewonnen. Er hat als erster Spieler in der Geschichte der European Tour bei seinen ersten 100 Turnieren über 10 Millionen Euro Preisgeld verdient.
„He’s killing us“, formulierte es der Retief Goosen bei europeantour.com drastisch. Auch in den USA wurde Kaymers Auftritt aufmerksam verfolgt. Melanie Hauser von pga.com zog nach dem Triumph folgenden Schluss: „Niemand in der Welt hätte ihn in dieser Woche geschlagen. Wie oft haben wir das über Tiger Woods gesagt. Nun ertappen wir uns dabei, dass wir das über Kaymer sagen… Ich kann das erste Duell Woods/Kaymer kaum erwarten, Sie auch nicht?“
Viel Arbeit für Woods
Damit das von der Kollegin ersehnte Duell auch eines auf Augenhöhe wird, muss Tiger Woods allerdings noch gehörig zulegen. Das erhoffte und von vielen auch erwartete glanzvolle Comeback ist bei seiner Premiere 2011 nicht gelungen. Platz 44 bei der Farmers Insurance Open erinnerte eher an die enttäuschenden Auftritt im letzten Jahr und manifestierte bei Woods die Erkenntnis, dass er längst noch nicht der Alte ist. „Ich habe noch viel Arbeit vor mir, daran gibt es keinen Zweifel“, gestand Woods auf der Homepage der PGA Tour.
Quo vadis, US PGA Tour?
Früher war die US Tour das Maß der Dinge. Die besten Golfer der Welt waren Amerikaner und außerhalb ihrer Tour waren sie so gut wie nie zu sehen. Andersherum war der Wechsel von der Europa auf die US Tour für die besten Europäer stets ein Traumziel und Karrieresprung. Und heute? Mit Lee Westwood und Martin Kaymer kommen erstmals seit 1993 die beiden Weltranglisten-Ersten aus Europa, mit Graeme McDowell, Paul Casey, Rory McIlroy und Luke Donald rangieren vier weitere unter den Top-10. Westwood und McIlroy gabe ihre US Tourkarten zurück, Kaymer blieb ebenfalls Europa treu.
Doch damit nicht genug: Plötzlich sind die wenigen aktuellen US Stars auch noch auf der European Tour zu sehen. Phil Mickelson zum Beispiel schlug in Abu Dhabi ab, während in der Heimat das Traditionsturnier Bob Hope Classic ausgetragen wurde. Ein kleiner Vergleich: Im Mittleren Osten waren die vier Major-Sieger Kaymer, McDowell, Louis Oosthuizen und Mickelson am Start, bei der Bob Hope waren von den Top-40 der Weltrangliste nur zwei Spieler dabei. Mit Steve Stricker (Qatar Masters) und Tiger Woods (Dubai Desert Classic) gehen übrigens zwei weitere US Stars demnächst fremd.
Jimenez und sein neuer Putter
Der Spanier ist seit über zwei Jahrzehnten mit seiner lässigen Art ein Aushängeschild der European Tour. Lange Haare, Pferdeschwanz und eine edle Zigarre im Mund – Miguel Angel Jiménez ist ein Genussmensch. Doch dieser Eindruck darf nicht darüber hinweg täuschen, dass der 47-Jährige auch ein akribischer Arbeiter ist, der hart für seinen Erfolg kämpft.
In Abu Dhabi verlor er nach einigen Fehlschlägen die Geduld und bearbeitete mit seinem Putter seine Golftasche. Sein Spielpartner Darren Clarke beschrieb den Moment nach der Runde mit einem Augenzwinkern gegenüber europeantour.com: „Er hat die Ecke seines Bags erwischt und im Rückschwung ein bisschen weit ausgeholt.“ Das Resultat war ein zerbrochener Putter und da man während der Runde nicht einfach das Equipment tauschen darf, musste Jiménez improvisieren. Er tat dies mit Erfolg und lochte in der Folge tatsächlich dreimal mit seinem Lob-Wedge zum Birdie.
Immer Ärger mit den Regeln
Gleich zwei Fälle von Regelverstößen sorgten im Januar für Schlagzeilen. Mit Padraig Harrington und Camilo Villegas wurden zwei Spieler disqualifiziert, weil sie ihre Scorekarte mit einem falschen Ergebnis unterschrieben haben. Sind die beiden zu blöd oder können sie nicht rechnen?
Nein, sie hatten lediglich auf ihrer Runde einen Regelverstoß begangen, der ihnen selbst nicht bewusst war. In beiden Fällen machten TV-Zuschauer darauf aufmerksam. Das Problem dabei: Beide Male wurden die Verstöße anerkannt, doch zu diesem Zeitpunkt hatten die Spieler ihre Runde bereits beendet und die Scorekarten unterschrieben.
Laut Reglement kann der fällige Strafschlag nachträglich nicht mehr addiert werden, sondern der Spieler wird disqualifiziert, weil er eine falsche Scorekarte abgezeichnet hat.
Über diese Praxis sollten die Verantwortlichen dringend nachdenken. Die Spieler sollen gerne für den begangenen Fehler mit der dafür vorgesehenen Sanktion bedacht werden, aber eine viel härtere Strafe (Turnierausschluss) für einen unbewussten Folgefehler auszusprechen, erscheint maßlos übertrieben.
Tiger Woods machte noch auf einen weiteren Aspekt aufmerksam. Natürlich müsse jeder die Regeln kennen, sagte er, aber er selbst und die anderen Spitzenspieler seien im Vergleich zu einem Großteil des Feldes natürlich viel häufiger im TV zu sehen. Ganz fair sei das nicht, wenn man bedenkt, dass inzwischen TV-Zuschauer anhand dieser Bilder nachträglich Regelverstöße melden und diese auch geahndet würden.
Lars Ahrens