Stanley verspielt Riesenführung in Torrey Pines

Kyle Stanley hatte das Turnier seines 24-jährigen Lebens gespielt. Der Mann aus Washington schien an einem sonnigen Januarwochenende bei San Diego dicht vor dem ersten Turniersieg seiner jungen Profikarriere zu stehen, als er mit sieben Schlägen Vorsprung in die Schlussrunde und mit vier Schlägen Vorsprung auf die letzte Bahn ging.
Doch dann ging alles schief, was schief gehen konnte. Aber selbst das nicht sofort. Der Abschlag auf Loch 18, dem statistisch gesehen leichtesten Par 5 des Torrey Pines South Course, gelang Stanley ebenso wie der zweite Schlag, der ihn auf 70 Meter ans Grün heranbrachte.
Inzwischen hatte der in der Gruppe vor ihm spielende Brandt Snedeker ein Birdie geschafft, aber selbst das war noch kein Problem, schließlich betrug der Vorsprung virtuell immer noch drei Schläge. Anders gesagt: Ein Double Bogey hätte Stanley, der 2011 zum ersten Mal überhaupt eine Tourkarte auf der PGA Tour hatte, zum Sieg gereicht.
In Zeitlupe ins Wasser
Allein: Es wurde kein Double Bogey. Seinen dritten Schlag platzierte der Mann aus dem Staat Washington mit dem Sand Wedge ins Wasser – eigentlich aufs Grün, aber der Ball hatte zu viel Spin und rollte zurück ins Rough, und von dort aus wie in Zeitlupe ins Wasser. Nach dem fälligen Strafschlag hatte Stanley mit seinem zweiten Putt aus kaum mehr als einem Meter, wenn auch leicht bergab, die Chance, den Turniersieg klar zu machen. Aber wieder versagten ihm die Nerven: Triple Bogey.
Inzwischen waren die Kamerateams, die sich schon für das Abfilmen der Siegerehrung am 18. Grün tummelten, unauffällig wieder verscheucht worden. Es musste ein Stechen zwischen Stanley und Snedeker geben – wieder am 18. Loch. Diesmal aber blieb Stanley cool und schaffte das Birdie, sein Kontrahent indes auch.
Beim zweiten Extraloch jedoch, dem Par 3-16., hatte Snedeker mehr Glück als Finesse, als sein Abschlag übers Grün hinaussprang, aber von einem TV-Kamera-Gerüst günstig abprallte, so dass er in zwei Putts das Par zu retten vermochte. Stanley hingegen vergab seinen Par-Putt aus eineinhalb Metern und musste Snedeker zum Sieg und zum Sprung auf Platz 15 der Weltrangliste gratulieren.
Es war nicht die erste Last-Minute-Niederlage für Stanley, der im vergangenen Jahr bei der John Deere Classic mit einem Bogey auf der 18 den Sieg an Steve Sticker verschenkt hatte. Durch Platz zwei im Stechen entgingen Stanley nicht nur knapp 400.000 Dollar Preisgeld, sondern auch die sichere Tourkarte für die nächsten Jahre, einen Startplatz beim Masters und viele andere Privilegien.