Tiger Woods wird als Nummer eins abgelöst

Nach über fünf Jahren verliert Tiger Woods seinen Status als Nummer eins der Welt. Martin Kaymer könnte ihn beerben. Voraussetzung ist ein Top-Resultat beim Andalucia Masters Valderrama. Andernfalls wird Lee Westwood die Spitzenposition übernehmen.
Der Engländer wird verletzungsbedingt nicht in Spanien an den Start gehen. Die Ausgangsposition für Kaymer ist wie folgt: Gewinnt er, wird er Zweiter oder mit nur einem weiteren Spieler geteilter Zweiter, dann ist er ab Montag die Nummer eins der Weltrangliste. Schneidet er schlechter ab, dann wird Westwood als neuer Spitzenreiter geführt. „Für mich ist Lee Westwood derzeit die Nummer 1, aber wenn ich eine Chance habe, nehme ich sie natürlich gerne wahr“, erklärte Kaymer. Tiger Woods wird auf jeden Fall erstmals seit dem 12. Juni 2005 nicht mehr die Nummer eins sein.
Kaymers überragende Saison
Für Kaymer wäre es das i-Tüpfelchen einer überragenden Saison. Vier Turniere hat in diesem Jahr gewonnen, seinen ersten Majorsieg gefeiert, beim Ryder Cup triumphiert und zuletzt dreimal in Serie als Sieger das Clubhaus erreicht. „Der Gedanke an die Nummer 1 spielt in meiner Turniervorbereitung derzeit keine Rolle. Ich wollte mich in diesem Jahr weiter verbessern und das ist mir gelungen. Ich habe hoffentlich noch viele Karriere-Jahre vor mir und möchte mich auf lange Sicht in der Weltspitze etablieren“, äußerte sich Kaymer zurückhaltend.
Nur Spielverderber würden angesichts dieser Erfolge behaupten, der Platz an der Spitze der Weltrangliste wäre allein der Schwäche von Tiger Woods geschuldet. Natürlich spielt die Talfahrt des Amerikaners eine große Rolle, aber die Weltrangliste dient eben auch dazu den aktuell besten Spieler der Welt zu ehren und nicht denjenigen, der womöglich das größte Potenzial hat. Der Prestigegewinn für Kaymer wäre immens. Er wäre nach Bernhard Langer der zweite Deutsche und erst der fünfte Europäer, der als bester Spieler der Welt geführt würde.
Weltrangliste führt alle Touren zusammen
Langer war übrigens die erste Nummer eins, als die Rangliste im Jahr 1986 eingeführt wurde. Nach drei Wochen löste ihn Severiano Ballesteros ab. Doch wie funktioniert die Rangliste und welche Bedeutung und Aussagekraft hat sie?
Im Golfsport wird normalerweise viel über die Geldranglisten gesprochen. Sie entscheiden auch darüber, wer im nächsten Jahr auf der jeweiligen Tour eine Startberechtigung bekommt. Allerdings führt jede der weltweit sechs großen Touren eine eigene Rangliste, in der natürlich nur Spieler auftauchen, die auch auf dieser Tour spielen.
Einen übergeordneten Vergleich der Akteure liefert daher nur die Weltrangliste. Zudem garantiert eine Platzierung unter den ersten 50 in der Weltrangliste auch einen Startplatz bei den vier Majorturnieren und den großen WGC-Turnieren. Für die Spieler ist das von enormer Bedeutung.
So funktioniert die Weltrangliste
Die Berechnung der Weltrangliste ist eine mathematische Herausforderung und äußerst kompliziert. Grundsätzlich werden Punkte bei den vier Majors, allen Turnieren der sechs großen Profi-Touren (US PGA Tour, European Tour, Asian Tour, PGA Tour of Australasia, Japan Golf Tour, Sunshine Tour), sowie den vier kleineren Touren (Canadian Tour, One Asia Tour, Nationwide Tour, Challenge Tour) vergeben.
Die mögliche Anzahl der Punkte hängt von der Bedeutung der Tour, des Turniers und der Besetzung der Veranstaltung ab. Die höchste Punktzahl (100) gibt es für einen Sieg bei einem Major. Für einen Sieg auf der European Tour gibt es mindestens 24 Punkte und maximal 64 Punkte (für einen Erfolg beim BMW PGA Championship, dem wichtigsten Turnier der Tour).
Ergebnisse der letzten zwei Jahre zählen
Bei jedem Spieler werden die Ergebnisse der letzten zwei Jahre berücksichtigt. Allerdings fließen nur bei den Resultaten der letzten 13 Wochen die vollen Punktzahlen ein. Bei älteren Ergebnissen wird die Punktzahl Woche für Woche um 1/92 reduziert. Die Bedeutung der weiter zurückliegenden Ergebnisse wird also immer geringer.
Für die Rangliste werden nun die bei jedem Turnier innerhalb der letzten 24 Monate erzielten Punkte addiert und schließlich durch die Anzahl der gespielten Events geteilt. Auch hier gibt es noch eine Besonderheit: Es wird mindestens durch 40 geteilt (auch wenn ein Spieler nur 35 Turniere gespielt hat) und maximal durch 60. Heraus kommt am Ende ein Wert, der beschreibt, wie viele Punkte ein Spieler im Schnitt bei einem Turnier erworben hat.
Tiger Woods‘ beeindruckende Rekorde
Auch wenn Tiger Woods aktuell mit vielen Problemen zu kämpfen hat und natürlich auch durch seine sechsmonatige Pause viele Punkte in der Rangliste verlor (er hat weniger als 40 Turniere gespielt), so bleibt seine Ausnahmestellung unbestritten. Seit 1986 standen lediglich 12 Spieler an der Spitze der Rangliste. Tiger Woods hält dabei nicht nur mit 281 Wochen am Stück einen absolut unangefochtenen Rekord, sondern ist auch mit insgesamt 623 Wochen als Nummer eins eine Klasse für sich.
Greg Norman brachte es in seiner Karriere als nächstbester auf 331 Wochen. Auch in Sachen Punktzahlen spielte Tiger Woods zu seinen besten Zeiten in einer eigenen Liga. Am Ende des Jahres 2000 wurde für ihn ein Wert von 29,4 Zählern pro Turnier
notiert. Zum Vergleich: Momentan ist Woods mit 8,31 Zählern die Nummer eins.
Was passiert in den kommenden Wochen?
Genau das ist auch der Grund, warum in den nächsten Wochen das bisher eher statische System Weltrangliste ordentlich in Bewegung kommen wird. Die Spitze liegt so eng zusammen wie noch nie. Die ersten Fünf Woods, Westwood, Kaymer, Phil Mickelson und Steve Stricker liegen gerade mal einen Punkt auseinander.
Auch der an Position sechs geführte Jim Furyk folgt mit minimalem Abstand. Das wird wohl dazu führen, dass die Spitzenposition in den kommenden Wochen häufiger wechselt und sich mehrere Spieler einmal an dem Platz an der Sonne erfreuen dürfen. Der erste davon ist vielleicht Martin Kaymer und wer weiß, vielleicht gibt er diesen Platz dann doch gar nicht so schnell wieder her.
Lars Ahrens