Warum Golfer bessere Menschen sind
Diese Aussage mag zunächst seltsam erscheinen oder gar provozieren. Doch während in der Gesellschaft die Diskussion um wahre Werte und die richtigen Tugenden noch anhält, praktizieren Golfer diese täglich auf dem Platz.
Und ich bin mir sicher, durch das ständige Üben und die „Gewohnheit“ überträgt sich vieles auch auf das „normale“ Leben. Betrachten wir zunächst die vier Kardinalstugenden.
Klugheit – nichts, aber auch rein gar nichts überlässt der Golfer dem Zufall. Sonst heißt das Resultat Gebüsch, Wasser oder Bunker. Die richtige Vorbereitung (Klamotten, Schlägerauswahl, Ballansprache etc.), Üben, Üben, Üben und nochmals Üben sowie die Spiel-Planung sind dem Golfer ins Blut übergegangen.
Tapferkeit – an sich muss ein Golfer schon sehr tapfer sein, einen kleinen weißen Ball mit einem unwesentlich größeren Schlägerkopf, der an einem dünnen Metallstab befestigt ist, zudem noch entgegen aller ergonomischen Wahrscheinlichkeiten wirklich treffen zu wollen.
Tapferkeit beweist der Golfer aber auch bei der Ansprache unter diesen widrigen Umständen vor interessiertem Publikum, die jede Bewegung genauestens beobachten und natürlich kommentieren. Und tapfer zerbricht der Golfer auch nicht seinen Schläger, selbst wenn ihm ein Put aus 30 Zentimeter misslungen ist.
Gerechtigkeit – nirgends geht es gerechter zu als auf dem Golfplatz. Mag im Fußball ein Glücksschuss aus dreißig Metern ein ganzes Spiel entscheiden, so setzen sich über 18 Löcher die Qualität des Golfers, seines Spiels und seine psychische Stärke unter Garantie durch.
Mäßigung – Demut ist mit Sicherheit die wichtigste Kardinaltugend für den Golfer, denn in keinem Sport werden alle menschlichen Schwächen offensichtlicher aufgedeckt als beim Golfen. Und zwar nicht nur technische Mängel sondern vor allem auch charakterliche Defizite.
Allein diese ständige Offenbarung und der Zwang, sich mit seinen Schwächen permanent auseinander setzen zu müssen, lässt den Golfer sehr, sehr demütig gegenüber seinen Mitmenschen werden. Abgesehen von dem rituellen Stoßgebet sind auch die wichtigsten christlichen Tugenden ständige Begleiter des Golfers.
Glaube – ohne Glaube geht gar nichts. Ohne den Glauben daran, diesen kleinen Ball auch wirklich treffen und auch gescheit treffen zu können, sollte ein Golfer erst gar nicht an den Start gehen. Und ein Yips ist das Paradebeispiel dafür, wenn der Glaube abhanden gekommen ist, einen Put auch aus einer Entfernung von nur 20 Zentimetern versenken zu können.
Hoffnung – das ist die Hauptmotivation jeden Golfers. Die Hoffnung auf den perfekten Schwung, die Hoffnung, dass die „Big Bertha“ die Kugel optimal trifft, die Hoffnung bei der Flugbeobachtung, dass der Ball auf dem Grün landet, die Hoffnung, mit einem Schlag wieder aus dem Bunker zu kommen, nachdem der Ball dort
und nicht auf dem Grün gelandet ist.
Liebe – das ist der Grund, warum sich der Golfer all das antut. Es muss Liebe sein, ansonsten gibt es keinen rationalen Grund. Und wenn sich dann alle Hoffnungen erfüllt haben und die weiße Kugel nach einem lehrbuchhaften Schwung, Abschlag und Flugverlauf tatsächlich 10 Zentimeter leicht rechts von der Fahne liegen bleibt und das ,Ping’ des optimal getroffenen Balls noch im Tommelfell zärtlich nachvibriert, dann ist das Gefühl besser als, das ist Liebe.
Dafür leben und lieben Golfer.
In der Kombination dieser Tugenden wird der Golfer zum Übermenschen. Abseits des Missbrauchs des Wortes in den vierziger Jahren wird in der Philosophie ein Übermensch als „Idealmensch“ bezeichnet, welcher über das gewöhnliche Leben eines „normalen“ (meist negativ bewerteten) Menschen hinausgewachsen ist.
Friedrich Nietzsche definierte den Übermenschen in „Also sprach Zarathustra“ wie folgt: der Versuchende, ständig Strebende, sich selbst Überwindende mit einer radikalen Lebensbejahung, sowie Schöpfer neuer Werte, die er aus sich selbst bezieht. Nietsche muss ein Golfer gewesen sein.
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