Wer gewinnt die Open 2011?

Auf einem Links-Kurs einen Favoriten zu benennen, ist noch schwerer, als sich bei den übrigen Majors auf einen Titelkandidaten festzulegen. Und fast unmöglich ist das auf dem Kurs im Royal St. George’s, von dem Justin Rose laut usatoday.com einmal sagte: „Als würde man auf der Oberfläche des Mondes spielen.“ Und von dem Greg Norman meinte: „Ich könnte schwören, dass die Royal Air Force hier Bombardements übt.“
Es ist kein Wunder, dass eigentlich kein Spieler auf beiden Touren diesen Kurs zu seinen Lieblingsplätzen zählt. Die welligen Fairways, von denen der Ball ganz schnell ins seitliche Rough verspringen kann, die fiesen Bunker um die Grüns, aber vor allem der permanente Seewind, dem der Platz völlig schutzlos ausgeliefert ist, machen die 18 Löcher so unvorhersehbar. Hier kann alles passieren. Zwei sportal.de-Redakteure legen sich trotzdem fest und nennen ihre Tipps für den Claret Jug-Sieger 2011.
Malte Asmus:
Natürlich kann es auch sein, dass Rory McIlroy nach seinem beeindruckenden Sieg bei der US Open seinen zweiten Major-Sieg in Folge feiern wird – die britischen Buchmacher erwarten dies sogar. Ich persönlich vermag diesen Optimismus jedoch nicht ganz zu teilen und das liegt nicht daran, dass er seit seinem Triumph im Congressional pausiert hatte. Die Auszeit wird ihm gut getan haben und dürfte auf seinem Niveau nicht zu einem Leistungsabfall führen. Warum soll also Rory kein Favorit sein?
Nun, zunächst mal hat seit Tiger Woods 2000 niemand mehr die US und die British Open in einem Jahr gewonnen. Zudem braucht man für einen The Open-Sieg ein hohes Maß an Präzision – gerade vom Tee. McIlroy rangiert in der Driving Accuracy-Statistik der European Tour jedoch gerade einmal auf Platz 78. Er geht oft einfach zu ungestüm ans Werk – eine Tendenz, die von den hohen Erwartungen der britischen Fans und der Lust, sich beim Heimspiel besonders beweisen zu wollen, noch verstärkt werden könnte.
Mit seinen Scramblingfähigkeiten kann er zwar zunächst verlorenen Boden wieder gutmachen. Sollte er aber in einem der vielen Bunker enden, dürfte es für den gerade mal 64. der Sand-Save-Statistik vorbei sein mit Par. Auch beim kurzen Spiel hat McIlroy so seine Probleme, die sich gerade unter dem Druck des zu erwartenden engen Rennens um die Spitze am Ende als Malus herausstellen könnten.
Daher lehne ich mich mal aus dem Fenster und tippe auf Jason Day. Der Australier wurde sowohl beim Masters als auch der US Open jeweils am Ende Zweiter und ist zudem durch seinen 10. Platz bei der US PGA Championship 2010 der einzige Golfer, der die letzten drei Majors in den Top Ten beendete. Er kennt den Platz zwar noch nicht und reist auch erst sehr spät an, bringt aber das nötige Schlagrepertoire für den Kurs mit. Die Länge seiner Abschläge ist gut, sein Scrambling bei der US Open (kein Bogey auf den letzten 45 Löchern) war überragend.
„Je mehr gute Schläge man in seinem Repertoire hat, desto besser. Und ich freue mich schon darauf meine dort zu benutzen“,erklärte er dailytelegraph.com.au und fügte selbstbewusst an. „Es wird schwer, aber wenn die Bedingungen schwerer werden, steigere ich mich meist auch.“ Und es wäre ja nicht das erste Mal, wenn nicht der Favorit der Buchmacher The Open gewinnen würde.
Daniel Raecke:
Man kann die generellen Vorbehalte gegen Tipps für die Open noch zuspitzen, wenn man sich Royal St. George’s ansieht. Zwar findet das älteste Turnier der Welt erst zum zweiten Mal in den letzten 18 Jahren in Südengland statt und damit in einer klimatisch eher angenehmen Ecke des Vereinigten Königreichs. Aber schon normale Windstärken können auf dem direkt an der Nordseeküste gelegenen Platz fatale Folgen haben.
Und die Fairways sind alles, aber nicht fair. Selbst so mancher BMX-Fahrer würde zögern, diese Buckelpisten in Angriff zu nehmen. Wenn also jemand definitiv triumphieren wird, dann der Zufall, oder? Das stimmt natürlich auch nicht wirklich. Zwar ist Ben Curtis‘ Sieg bei der letzten Open in St. George’s 2003, als er sein allererstes Major-Turnier gleich gewinnen konnte, ein Omen für einen Außenseitersieg, aber die vorletzte Sandwich-Open 1993 zeigte mit dem packenden Dreikampf zwischen Sieger Greg Norman, Nick Faldo und Bernhard Langer, dass Klasse sich gerade unter schwierigen Bedingungen oft durchsetzt.
Werfen wir also nicht die Würfel, sondern einen Blick auf die Weltspitze. Der logische Favorit muss eigentlich Luke Donald sein. Die Nummer eins der Welt ist einer der konstantesten und fehlerlosesten Spieler des Planeten. Bei den Open war Donald jedoch in seiner Karriere noch nie wirklich vorne mit dabei, was eher für seinen englischen Landsmann Lee Westwood spricht. Der hat wie Donald noch nie ein Major gewonnen, aber nach Platz 2 und T3 in den letzten zwei Jahren ist er eigentlich dran, den Claret Jug zu gewinnen. Zumal Donald gerade erst in überragender Form die Scottish Open geholt hat – und zwei Siege in Folge sind auf diesem Niveau eher die Ausnahme.
Das spräche auch gegen Steve Stricker, dem bestplatzierten Amerikaner in der Weltrangliste, der gerade die John Deere Classic in Illinois zum dritten Mal in Folge gewonnen hat. Für die Open qualifiziert ihn das aber nicht, auch, weil ihm in den USA der Ruf anhaftet, seine Nerven in den ganz wichtigen Momenten nicht im Griff zu haben. Das spräche als einer der wenigen Faktoren auch gegen Rory McIlroy, den zu nennen nach seinem Sieg bei den US Open zwar langweilig ist, aber auch Common Sense. Da wäre schließlich noch Martin Kaymer zu nennen, dessen Form leicht gegen ihn spricht.
Wenn ich mich nach all den abgespulten Favoriten auf einen festlegen muss, dann tippe ich mal: Wenn es nicht Westwood wird, dann Graeme McDowell. Der US Open-Sieger von 2010 hat zwar bei den Open noch kein Top 10-Finish absolviert, aber seine Nervenstärke spricht für ihn. Bei Buchmachern auf den Sieger setzen sollte man aber nur, wenn man gerade schnell Geld waschen muss. Wir reden immerhin von Royal St. George’s.