Zehn Erkenntnisse nach der US Open

Bild zum Artikel 'Zehn Erkenntnisse nach der US Open'

Ein neuer Star ist geboren, ein alter war gar nicht da und einem dritten läuft die Zeit davon. sportal.de präsentiert nach dem zweiten Major der Saison die wichtigsten Erkenntnisse.

Ein Star ist geboren
Egal wo Rory McIlroy auf der Welt abschlägt, die Sympathien fliegen ihm entgegen. Die Fans lieben den Kerl mit dem Wuschelkopf, der so bodenständig daherkommt und so spektakuläres Golf spielt. Schon als Amateur wurde ihm eine große Karriere vorausgesagt. Seit vier Jahren ist der Nordire Profi und hat in dieser Zeit je ein Turnier in den USA und Europa gewonnen. Hinzu kommen drei dritte Plätze bei Majors und der schon fast legendäre Einbruch beim Masters vor gut zwei Monaten.

Mit 22 Jahren hat ert nun sein Meisterstück gemacht. Nur unwesentlich älter als Tiger Woods bei seinem ersten Majorsieg, hat McIlroy eine neue Stufe auf der Karriereleiter erreicht. Der Druck, eines der vier wichtigsten Turniere der Welt zu gewinnen, ist weg. Er hat damit erreicht, was anderen „Wunderkindern“ wie zum Beispiel Sergio Garcia bisher versagt blieb.

Diesen Status hat McIlroy eingebüßt. Er ist jetzt kein Talent, kein Wunderkind mehr, sondern ein Superstar und muss damit leben, dass er mit Tiger Woods verglichen wird. Es bleibt ihm zu wünschen, dass er seine Lockerheit behält und da weitermacht, wo er bei der US Open aufgehört hat.

So gewinnt Phil Mickelson keine US Open mehr
Die US Open ist das wichtigste Turnier in den USA und für Phil Mickeslon ist es der größte Traum, einmal die US Meisterschaft zu gewinnen. Fünfmal war der Publikumsliebling schon Zweiter, unvergessen ist sein Aussetzer im Jahr 2006, als er auf der letzten Spielbahn den Triumph fahrlässig verschenkte. Schaut man sich sein Spiel an diesem Wochenende an, ist zu befürchten, dass er vielleicht nie mehr sein Lieblingsturnier gewinnen wird.

Ein Meister des kurzen Spiels ist Mickelson immer noch, doch damit kann er seine Fehler vom Tee nicht mehr kompensieren. Der 41-Jährige hatte extra ein Eisen 2 in sein Bag gepackt, weil er mit dem Driver keine Sicherheit hatte. Aber selbst mit dem langen Eisen haute er die Bälle kreuz und quer neben die Spielbahn.

Und sitzt der Frust erst einmal tief, dann funktioniert irgendwann nichts mehr. Symptomatisch war das Doppelbogey auf dem letzten Loch der vierten Runde. Aus dem Bunker haute Mickelson den Ball quer über das Grün ins Wasser. Lefty muss an seinen Problemen arbeiten, ansonsten wird er sich an Platzierungen wie Platz 54 gewöhnen müssen.

Die Leidenszeit der Amerikaner geht weiter
Noch nie mussten die Amerikaner so lange auf einen Majorsieg warten. Fünfmal in Folge gingen sie leer aus, das hat es seit Bestehen der vier Turniere noch nicht gegeben. Die Lücke, die die Krise von Tiger Woods gerissen hat, konnte bisher kein US-Spieler schließen.

Die großen Hoffnungen Bubba Watson, Dustin Johnson, Nick Watney oder Matt Kuchar warten auf der ganz großen Major-Bühne bisher vergeblich auf ihren Durchbruch. Gleiches gilt für Anthony Kim oder Rickie Fowler, die von US-Medien schon vor geraumer Zeit auserkoren wurden, in Tigers Fußstapfen zu treten. Den Beweis ihrer Klasse müssen sie auf höchstem Niveau indes erst noch abliefern.

Auch die „Veteranen“ wie Steve Stricker, Zach Johnson oder Davis Love III vermochten die Leidenszeit der Amerikaner nicht zu beenden. Vor diesem Hintergrund wird der Hype um Rory McIlroy verständlich. Die USA brauchen einen neuen Star. Zur Not wird eben ein sympathischer Nordire „adoptiert“.

Es geht auch ohne Tiger Woods
Private Eskapaden, Verletzungen und eine für ihn beispiellose sportliche Krise – seit knapp zwei Jahren hat Tiger Woods kein Turnier mehr gewonnen. Und schlimmer noch: Immer häufiger glänzt der Superstar durch Abwesenheit. Nun fehlte er verletzungsbedingt erstmals in seiner Profikarriere, die 1996 begann, bei der US Open.

In den USA ist das aufgrund sinkender TV-Quoten und geringerem Sponsoren-Interesse stets ein Drama, dem neutralen Beobachter ist sein Fehlen beinahe gar nicht aufgefallen. Zum einen hat man sich an Turniere ohne ihn gewöhnt, zum anderen gab es auch so großartiges Golf zu sehen.

Gut, aufgrund des grandiosen Auftritts von Rory McIlroy fehlte ein bisschen die Spannung, aber das war zu den besten Zeiten von Woods ja auch regelmäßig der Fall. Ein tolles Turnier auf hohem Niveau gab es trotzdem zu bewundern und das wussten auch die Fans in Bethesda zu würdigen. Rund 50.000 Zuschauer waren allein am Schlusstag auf der Anlage und sorgten für eine tolle Atmosphäre.

Kaymer muss sich gedulden
Trotz seiner Erfolge in den letzten Monaten hat Martin Kaymer viel verändert. Er nahm einige Anpassungen an seinem Schwung vor und trat bei der US Open erstmals mit seinem neuen Caddie Chris Donald an. Schon vor dem Turnier hatte der Deutsche erklärt, dass beides wohl seine Zeit braucht, um langfristig Früchte zu tragen.

Geduld zählt jedoch zu Kaymers Stärken und insofern ist Platz 39 auch kein Grund zur Sorge für ihn. Die Probleme mit den langen Schlägen waren unübersehbar und daher freut er sich auf ein paar Trainingseinheiten mit seinem Coach Günter Kessler auf der Driving Range, ehe in München bei der BMW International Open die nächste Herausforderung wartet.

Wie sagte Kaymer so schön vor der US Open: „Irgendwann passt alles zusammen, vielleicht in dieser Woche, vielleicht aber auch erst in einigen Wochen. Ich habe es nicht eilig.“ Wir werden die Entwicklung ab Donnerstag verfolgen.

Marcel Siem bereichert die Majorturniere
Es war erst sein zweiter Auftritt bei einem Major und wie schon bei der British Open im vergangenen Jahr wusste der Ratinger die große Bühne für sich zu nutzen. 2010 sorgte Marcel Siem in St. Andrews für verdutzte Gesichter, als sein Name am ersten Tag lange Zeit an der Spitze des Leaderboards auftauchte. Nach einer 67er Runde war er schließlich Achter, schlaggleich mit Tiger Woods. Die Führung übernahm seinerzeit übrigens ein gewisser Rory McIlroy mit 63 Schlägen.

Am Ende wurde Siem geteilter 27., bei der US Open überstand er ebenfalls den Cut und wurde 60. Doch auch in Bethesda hatte der 30-Jährige seinen „magischen“ Moment. Es war der Freitag, an dem er sich nach einer 79 zum Auftakt mental schon auf den Heimflug vorbereitet hatte. Es kam anders. Er zauberte eine 66 auf das Grün und stellte die Tagesbestleistung von McIlroy ein.

Den Fans in Bethesda gefiel der Auftritt, denn Siem versteht es, mit seiner emotionalen Art die Zuschauer mitzureißen. Erfrischend sind auch seine TV-Interviews, in denen er offen und geradlinig Stellung nimmt. Bei Sky sind dann Sätze wie „wenn der Driver geht, werde ich weiter draufkloppen“, oder „ich muss ehrlich zugeben, dass +3 ein gutes Ergebnis ist für den Schrott, den ich gespielt habe“, zu hören. Das nächste Major mit Marcel Siem darf gerne kommen.

Golf wird internationaler
Dass die Vorherrschaft der Amerikaner gebrochen ist, lässt sich an den letzten fünf Majorsiegern Graeme McDowell (Nordirland), Louis Oosthuizen (Südafrika), Martin Kaymer (Deutschland), Charl Schwartzel (Südafrika) und nun Rory McIlroy (Nordirland) ablesen.

Was dabei nicht deutlich wird ist die Tatsache, dass neben den traditionellen Golf-Nationen Australien, Südafrika, USA und den Hochburgen in Europa mit Asien ein neuer Kontinent massiv in den Vordergrund rückt. Vor allem aus Japan und Südkorea drängen immer mehr Spieler in die Weltspitze.

Mit Y.E. Yang spielte ein alter Bekannter die Hauptrolle. Der Südkoreaner gewann 2009 als erster Asiate ein Major und gehört mit K.J. Choi zum Inventar auf der US Tour. In ihrem Sog rücken zahlreiche Landsleute nach. Allein bei der US Open standen mit Kyung-tae Kim, Seung-yul Noh, Do-Hoon Kim, Sung-hoon Kang, Sang-moon Bae und Dae-hyun Kim sechs zumeist ganz junge weitere Koreaner im Feld, bis auf Choi und Dae-hyun Kim überstanden auch alle den Cut.

Auch in Japan reifen zahlreiche junge Spitzenspieler heran und anders als viele ihrer älteren Landsleute sind sie auch bereit, die heimische Tour in Japan zu verlassen und sich mit den Besten in den USA oder Europa zu messen. Der beste der drei Japaner in Bethesda war mit dem 19-jährigen Ryo Ishikawa das neben Matteo Manassero aus Italien derzeit vielleicht größte Talent weltweit.

Donald wird kein Freund der US Open
Luke Donald ist die Nummer eins der Welt und beeindruckte in den letzten Monaten mit konstant gutem Spiel. Zehnmal in Serie erreichte er Platzierungen unter den ersten Zehn, zwei Turniersiege in dieser Saison sind ebenfalls bemerkenswert. Es war aber kein Wunder, dass sein Höhenflug bei der US Open ein Ende fand. Schon in der Vergangenheit wurde der Engländer bei diesem Turnier nicht glücklich.

Bei acht Teilnahmen schaffte er noch nie einen Top-10-Rang. Das spezielle Setup der Open-Plätze scheint ihm nicht zu liegen und so blieb es auch diesmal bei einem enttäuschenden 45. Platz. Nun gönnt sich Donald eine längere Pause, um den Akku wieder aufzuladen. Nächstes Ziel ist die British Open in der Heimat, vielleicht klappt es dann endlich mit dem ersehnten ersten Majorsieg.

El Nino hat noch gute Schläge in sich
1999 hatte die Golf-Welt Sergio Garcia auserkoren, um Tiger Woods die Stirn zu bieten, und auch der Spanier selbst traute sich diese Rolle zu. Zwölf Jahre später ist davon keine Rede mehr. Garcia zählt mit 31 Jahren zwar längst noch nicht zum alten Eisen, ein Major konnte er jedoch nie gewinnen. In den letzten Jahren häuften sich die Probleme. Vor allem mit dem Putter experimentierte er erfolglos herum.

In der Weltrangliste rutschte er weit jenseits die Top-50 ab, für die US Open war er erstmals nicht direkt qualifiziert. Eigentlich wollte er gar nicht bei einem der Qualifikationsturniere antreten, entschied sich dann aber doch anders. Und tatsächlich ergatterte er noch einen Platz im Feld. Zum 47. Mal in Folge war er damit bei einem Major seit 1999 am Start und er bereute es nicht. Mit Platz sieben zeigte Garcia eine tolle Vorstellung und zeigte endlich wieder, dass er das Golf spielen nicht verlernt hat.

Ein Aussie auf dem Sprung
Australien ist bekannt dafür, immer wieder gute Golfer hervorzubringen. Der nächste Exportschlager aus Down Under heißt Jason Day. Gerade einmal 23 Jahre jung hat er schon mehrfach nachhaltig auf sich aufmerksam gemacht. Bei den letzten drei Majorturnieren landete Day jeweils unter den ersten Zehn, beim Masters sowie der US Open wurde er sogar Zweiter.

Während Rory McIlroy vor allem an den ersten beiden Tagen glänzte, war Day der Mann des Wochenendes. Mit Runden von 65 und 68 Schlägen schob er sich nach vorne, dabei absolvierte er 45 Löcher in Serie ohne Bogey. Und das obwohl er große Probleme vom Tee hatte und zahlreiche Abschläge verzog. Doch Day ist ein Kämpfer, der vor allem bei den Putts immer wieder Nervenstärke zeigt. Von ihm werden wir in Zukunft noch viel hören. 

Lars Ahrens

WordPress Double Opt-in by Forge12